Nage no Kata

投の形 ( Form der Werfens )

Sie wurde als erste Kata von Jigoro Kano im Jahre 1887 im Kodokan entwickelte und gehört zusammen mit der Katame no Kata (und je nach Darstellungsart noch der Gonosen no Kata) zur Gruppe der Randori-no-Kata.

Die Nage no Kata vermittelt die grundlegenden Wurfprinzipien des Judo. Die Nage-no-kata besteht aus 5 Wurfgruppen mit jeweils 3 Würfen, die genau in dieser Reihenfolge, jeweils zuerst rechts und danach links, ausgeführt werden. Einzige Ausnahme stellt Uki-Goshi da, der zuerst links und dann rechts geworfen wird. Am Ende des Artikels, haben wir ein Video verlinkt.

Kano legte in dieser Kata besonderen Wert auf die deutlich erkennbare Darstellung von

  • Kuzushi (Brechen, Stören des gegnerischen Gleichgewichts),
  • Tsukuri (Anpassen der eigenen Körperhaltung an das gebrochene oder gestörte gegnerische Gleichgewicht zur Wurfvorbereitung) und
  • Kake (Wurfausführung; Kime, d.h. Entscheidung)

Diese Wurfphasen waren zwar in den alten Jujutsu-Schulen bereits bekannt, aber vor Kano nie klar in ihrer herausragenden Bedeutung für eine wirksame Vorbereitung und Ausführung der Wurftechniken herausgestellt worden.

Nage no Kata lehrt nicht nur die technischen Prinzipien der einzelnen Würfe, sondern verbessert zugleich die Haltung (Shisei), das Gehen vorwärts, rückwärts, seitwärts und im Kreis (Shintai) sowie die Körperbeherrschung beim Eindrehen und Verteidigen (Tai sabaki).

Nage no Kata beabsichtigt nicht, moderne Wettkampftechniken, wie sie sich im Laufe der Zeit vor allem im Wettkampfbereich entwickelt haben, wiederzugeben. Vielmehr überliefert sie Techniken, wie sie in der Entstehungszeit des Judo tatsächlich bei den kämpferischen Auseinandersetzungen der rivalisierenden Ju Jutsu-Schulen untereinander oder gegen den Kodokan erfolgreich eingesetzt wurden. Einige der Wurftechniken hat Prof. Kano verschiedenen Ju Jutsu-Schulen entlehnt, andere sebst entwickelt.

Der traditionelle Ursprung wird u.a. in den unterschiedlichen katamäßigen Ausführungen des Seoi nage, Kata guruma, Tsuri komi goshi, Uchi mata, Tomoe nage, Ura nage (als Ma sutemi waza und nicht als Yoko sutemi waza) sowie der Demonstration von Sumi gaeshi, Yoko gake und Uki waza deutlich.

Tori und Uke führen die Kata ruhig und ohne unnötige Pausen, aber flüssig und ohne Hast sowie übermäßigen Krafteinsatz (insbesondere bei Kake) in einem Geist gegenseitigen Vertrauens aus.

Die gesamte Nage no Kata ist als eine fortlaufende Entwicklung zu verstehen, bei der Uke seine Angriffe ständig verändert. Das zwingt Tori wiederum, fortwährend neue Verteidigungen anzuwenden.

Tori und Uke sind in diesem stilisierten Zweikampf als technisch gleichwertige Partner zu betrachten. Uke greift stets ernsthaft und kraftvoll ann. Tori begegnet diesen Angriffen genauso entschlossen, tatkräftig und wirkungsvoll. Dabei vermeiden beide alle unnötigen Bewegungen.

Ukes Angriff folgt Toris Nachgeben sowie das Aufnehmen, Weiterführen und Umlenken der Angriffsbewegung (Brechen der Angriffsinitiative). Tori leistet keinen unmittelbaren Widerstand.

Uke darf die Zusammenarbeit mit Tori nicht vorwegnehmen und sich selbst zum bloßen Springer herabstufen.

Beide achten bei ihrer Vorführung sorgfältig auf paarweises Greifen, gleichzeitige Bewegung in die Technik bzw. gleichzeitiges Zusammentreffen bei den Schlagangriffen und erreichen dadurch, durch technische Perfektion und einen kontrollierten Abschluss (Zanshin) eine Ausgeglichene, harmonische Darstellung.

Es gibt drei grundlegende Situationen in der NNK - sie stehen repräsentativ für alle Situationen, in denen Wurftechniken angewendet werden können.

  1. Uke kommt nach vorne und greift
    (Uki-otoshi, Kata-guruma, Harai-goshi, Tsuri-komi-goshi, Sasae-tsuri-komi-ashi, Yoko-gake)
  2. Uke kommt nach vorne und wird geworfen, ohne vorher gegriffen zu haben
    (Seoi-nage, Uki-goshi, Ura-nage, Yoko-guruma)
  3. Uke greift, aber macht (noch) keine weiteren Anstalten für einen Angriff
    (Okuri-ashi-barei, Uchi-mata, Tomoe-nage, Sumi-gaeshi, Uki-waza)

In keiner anderen Kata des Kodokan wiederholen sich die Angriffe Ukes so oft wie in der Nage-no-Kata. Der Grund hierfür ist, dass es in der Nage-no-Kata darum geht zu studieren, wie die Bewegungen Ukes zu einem Gleichgewichtsbruch weitergeführt werden und letztlich mit unterschiedlichen - repräsentativen - Wurftechniken abgeschlossen werden können. Man kann nun die enthaltenen Situation ganz einfach ordnen und Toris Kernaufgabe ableiten:

  • Uke bewegt sich nicht - Tori muss für Ukes Bewegung "sorgen"
    (ziehen, drücken, schieben --> Nachgeben geht nicht, weil es nichts gibt, dem man nachgeben könnte.)
  • Uke bewegt sich während beide gefasst haben - ein "klassisches" Siegen durch Nachgeben, bei dem Tori einen Griff hat, um das Gleichgewicht brechen zu können.
  • Uke kommt auf Tori zu, greift aber nicht (sondern schlägt) - Tori muss das Gleichgewicht Ukes brechen, ohne vorher gefasst zu haben.

Diese drei Situationen sind für ein sehr, sehr weites Feld von Anwendungssituationen von Wurftechniken repräsentativ. Jede diese Situation kann vielfältig variiert und mit Beispielen gefüllt werden, auf die die Prinzipien des effektiven Gleichgewichtsbruchs übertragen werden können.

Die Auswahl der Techniken ist ebenfalls sehr repräsentativ. In jeder Gruppe wurden z.B. sehr unterschiedliche Vertreter ausgewählt:

  1. Te-waza:
    • von minimalem über
    • mittleren bis
    • großem Körperkontakt
    • "otoshi" (Niederwurf ist ein blöde Übersetzung) über ein
    • "über sich ziehen" zum
    • hohen Ausheben
  2. Koshi-waza
    • zweibeiniges
    • einbeiniges Werfen
    • tief Ausheben und
    • kurz abkippen
  3. Ashi-waza
    • fegen
    • stoppen
    • heben mit dem Wurfbein
  4. Ma-sutemi-waza
    • aktiv unter Uke gehen
    • mit dem eigenen Gewicht von Uke wegfallen lassen
    • mit und ohne Fuß am Gegner werfen
  5. Yoko-sutemi-waza
    • mit und ohne Fuß am Gegner werfen
    • mit dem Gewicht vom Gegner wegfallen lassen
    • in den Gegner hinein rotieren

Die Nage-no-Kata ist in Ihrer Mehrdimensionalität, der Repräsentativität ihrer Techniken und der Situationen, in denen die Techniken gemacht werden und in ihrem Wert für die technische Entwicklung sowie ihrem Wert als Übungsform für Körper und Geist ein kleines Kunstwerk:

Te-waza (Handwürfe)
Seoi-nage
Uki-otoshi
Kata-guruma
Koshi-waza (Hüftwürfe)
Uki-goshi
Harai-goshi
Tsuri-komi-goshi
Ashi-waza (Fußwürfe)
Okuri-ashi-barai
Sasae-tsuri-komi-ashi
Uchi-mata
Ma-sutemi-waza (Gerade Opferwürfe)
Tomoe-nage
Ura-nage
Sumi-gaeshi
Yoko-sutemi-waza (Seitliche Opferwürfe)
Yoko-gake
Yoko-guruma
Uki-waza